Vier Quadratmeter pure Energiewende

Lesezeit: 26 Minuten

Kleinsterzeugungsanlagen, wie Balkonkraftwerke und ähnliches auch genannt werden, erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit. Das ist bei den Energiepreisen des vergangenen Jahres nicht weiter verwunderlich und auch begrüßenswert. Balkonkraftwerke können nicht nur die eigenen Stromkosten senken, sie können außerdem Treibhausgasemissionen reduzieren, das Stromnetz entlasten und, was ich persönlich am wichtigsten finde, das Bewusstsein für den eigenen Strombedarf und erneuerbare Energien im Generellen schärfen.

Die Abkehr von fossilen Energieträgern ist die größte Energiesparaktion in der Geschichte der Menschheit. Sie bedeutet aber auch eine Verdreifachung des Strombedarfs. Und der kann nur mit einer Dezentralisierung des Stromnetzes zuverlässsig gedeckt werden. Strom an dem Ort und zu der Zeit zu erzeugen, wo und wann er gebraucht wird ist der schnellste, einfachste und günstigste Weg zu einer erfolgreichen Dezentralisierung. Lasst uns vier Quadratmeter pure Energiewende ans Balkongeländer schrauben!

Inhalt


Vorbereitung

Grundlagen

Ein Balkonkraftwerk ist eine stromnetzgebundene Photovoltaikanlage mit einer Leistung von bis zu 800 W (600 W in Deutschland), die direkt an eine Schuko-Steckdose angeschlossen werden kann.
Der primäre Zweck ist die Deckung des Eigenbedarfs. Produziert das Balkonkraftwerk mehr Strom als im selben Moment im Haushalt verbraucht wird, wird dieser Strom ins öffentliche Netz eingespeist. Diese Einspeisung wird im Regelfall nicht vergütet. Ökonomisch ist ein Balkonkraftwerk also nur dann sinnvoll, wenn man den produzierten Strom auch zu einem guten Teil selbst nutzen kann.

Besonderes Fachwissen ist für die Installation und den Betreib eines Balkonkraftwerks zwar nicht erforderlich, ein paar Grundkenntisse schaden aber keinesfalls:

  • Elektrische Leistung wird in Kilowatt [kW] oder Watt [W] angegeben und ist ein momentaner Wert ohne zeitliche Komponente. Öfters kommt Leistung auch in der Einheit Volt*Ampere, also [VA] bzw. [kVA] vor. Das ist ist zwar technisch nicht dasselbe, kann im Kontext von Balkonkraftwerken aber gleichbedeutend verwendet werden (Info).
  • Elektrische Energie wird in Kilowattstunden [kWh] (oder Wattstunden [Wh]) angegeben und ist Leistung MAL Zeit: 1kWh = 1kW x 1h = 0,5kW x 2h = 2kW x 0,5h
  • Ein Photovoltaik-Modul oder -Paneel ist eine etwa 1,8 x 1,1m große Platte, die bei Sonnenbestrahlung Gleichstrom produziert
  • Ein Wechselrichter ist ein Gerät, das den Gleichstrom aus einem oder mehreren PV-Modulen zu Wechselstrom umformt, der in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden kann
  • Ein Mikrowechselrichter ist ein kleiner Wechselrichter für ein oder zwei PV-Module
  • In Kilowatt-Peak (kWp) wird die Spitzenleistung der PV-Module einer Anlage angegeben. Das gibt NICHT die maximale Leistung des Wechselrichters an, welche üblicherweise geringer ist! Für die Ertragsmenge ist die Leistung der Module aber relevanter, da die Anlage ohnehin meistens im Teillastbetrieb läuft.

Verbrauchsprofil ermitteln

Auch unabhängig von einem Balkonkraftwerk empfiehlt es sich zuerst, den eigenen Stromverbrauch und dessen Verlauf über den Tag zu ermitteln. So bekommt man ein Gefühl dafür, was die verbrauchsstarken Zeiten/Geräte/Tätigkeiten sind und man kann feststellen, ob ein Balkonkraftwerk überhaupt (ökonomisch) Sinn ergibt.

Der einfachste Weg dazu ist ein Smart Meter. Wer noch keinen Smart Meter hat, kann den Tausch am einfachsten damit anregen, ein Balkonkraftwerk anzumelden. Wie das geht, siehe weiter unten. Hat man erst einmal einen solchen kommunikationsfähigen Zähler, kann man über ein Webportal seines Stromnetzbetreibers (Nicht Stromlieferant!) das Profil IME durch ein Opt-In aktivieren, sodass nicht nur Tages- sondern auch Viertelstundenwerte erfasst und übertragen werden. Die Adresse und die Anleitung, um sich einen Zugang zu diesem Portal anzulegen, bekommt man üblicherweise nach dem Zählertausch zugeschickt. In diesem Portal kann man sich dann (meist ein paar Tage später) die Verbrauchsdaten ansehen.

Exkurs: Smart Meter

Smart Meter sind fernauslesbare digitale Stromzähler, die in Österreich bis 2024 praktisch alle alten Ferraris-Zähler (die mit der drehenden Scheibe) ersetzen sollen.
Und nein, vor Smart Metern muss man keine Angst haben, wie so manche Verschwörungserzählung einen glauben machen will. Sie grillen keine ungeborenen Kinder, machen keine Falschmessungen und machen es Angreifer:innen auch nicht (viel) leichter, Blackouts zu verursachen (dafür gibt es viel effektivere Wege). Vor allem kleine Leistungen messen sie sogar deutlich genauer als alte Zähler. Oft wird vor der Funkstrahlung gewarnt, die von den Zählern ausgehen soll. Tatsächlich haben viele Smart Meter die Möglichkeit, auch über das Handynetz zu kommunizieren. Vor allem aus Kostengründen wird das aber nur in Sonderfällen gemacht. Wenn möglich, erfolgt die Datenübertragung direkt über das Stromnetz mittels Powerline Communication. Das ist zwar auch nicht frei von elektrischen Feldern aber um Größenordnungen besser als die Telefone in unseren Hosentaschen und auf unseren Nachtkästchen. Sie haben auch keinen höheren Eigenverbrauch als alte Zähler; bei denen ist dieser nur niemandem Aufgefallen.
Am Ende sorgen Smart Meter vor allem für viel mehr Transparenz für Kund:innen und sind ein ganz zentraler Baustein der Energiewende.

In Österreich gibt es über 120 Verteilnetzbetreiber. Für die jeweils wichtigsten habe ich die Links für das Smart-Meter-Portal sowie für die Anmeldung eines Balkonkraftwerks (Kleinsterzeugungsanlage) in folgender Tabelle gesammelt.
Smart Meter PortalBK anmelden
Netz BurgenlandLinkLink
Kärnten NetzLinkLink
Netz NiederösterreichLinkLink
Netz OberösterreichLinkLink
Salzburg NetzLinkLink
E-Netze (Steiermark)LinkLink
TINETZ (Tirol)LinkLink
Vorarlberg VetzLinkLink
Wiener NetzeLinkLink

Der Verlauf des Verbrauchs über einen üblichen Tag hängt natürlich von den persönlichen Lebensumständen wie Berufstätigkeit, Arbeitszeiten, Home Office, Haushaltsgröße und Ähnlichem ab. Außerdem haben dauerhaft eingeschaltete Geräte wie Kühlschrank, Router und Modem einen großen Einfluss darauf. Als Beispiel verwende ich im Folgenden unseren 2-Personen-Haushalt.

Aus einem solchen Diagramm lässt sich ablesen, dass wir durch diverse Netzwerkgeräte sowie den Kühlschrank (Der Kompressor springt etwa alle zwei Stunden an) eine Grundlast von 50 W bis 100 W haben. Außerdem ist erkennbar, dass während der Arbeitszeit im Home Office die Leistung auf knapp 300 W steigt. Dabei muss man beachten, dass Smart Meter immer nur die durchschnittliche Leistung einer 15-Minuten-Periode übermitteln. Beim Kochen des Abendessens werden beispielsweise kurzzeitig mehrere Kilowatt aufgenommen, aber eben nur über einen kurzen Zeitraum wodurch sich ein Durchschnitt von etwa 1,3 kW ergibt. Die Ansicht der Smart-Meter-Portale lässt sich meist zwischen Verbrauch [kWh] und Leistung [kW] umschalten. Ich finde die Leistungsaufnahme wesentlich greifbarer und verwende sie daher in den meisten Grafiken in diesem Artikel.

Sinnhaftigkeit prüfen

Anhand des vorhin ermittelten Verbrauchsprofils lässt sich nun feststellen, ob ein Balkonkraftwerk grundsätzlich überhaupt Sinn ergibt. Dazu lege ich zwei weitere Kurven über das Diagramm. Sie stellen die ungefähre Leistung eines 600 W-Balkonkraftwerks (~770 Wp) mit Südausrichtung im Sommer und im Winter dar.

Die Grafik zeigt, dass in den Zeiten, wo Sonnenstrom zu Verfügung stehen könnte, auch ausreichend Verbrauch vorhanden ist und ein Balkonkraftwerk grundsätzlich sinnvoll wäre.
Zum Vergleich wie es aussehen könnte, wenn ein Balkonkraftwerk nicht sinnvoll wäre, habe ich im folgenden Diagramm angenommen, dass jemand fast keine Grundlast hat und tagsüber nicht daheim ist.

Balkonkraftwerk dimensionieren

Meistens besteht ein Balkonkraftwerk aus einem oder zwei Photovoltaik-Modulen und einem Wechselrichter. Ein einzelnes Modul hat üblicherweise eine Maximalleistung zwischen 350 Wp und 450 Wp. Wechselrichter für ein Modul haben meist eine Leistung von 300 W bis 400 W. Wechselrichter für zwei Module leisten 600 W bis 800 W. Ein Modul hat üblicherweise eine Größe von 1,8 x 1,1 m.
Zuerst gilt es also zu entscheiden, ob man ein oder zwei Module haben möchte.
Die folgende Grafik zeigt, dass bei einem Balkonkraftwerk mit einem Modul der produzierte Strom praktisch vollständig selbst genutzt werden könnte. Man sieht aber auch, dass der Ertrag der Leistungsfähigeren Anlage natürlich doppelt so hoch ist und Spitzen eher gedeckt werden können. Das Einsparpotential ist mit einer größeren Anlage höher.

Produkt ermitteln

Nun stellt sich die Frage, ob man ein fertiges Set kauft oder ob man die Komponenten einzeln erwirbt.

Wer ein Geländer hat, das oben und unten aus einem horizontalen Rundrohr besteht und überhaupt keine Lust auf technische Details hat, ist mit einem Set wie diesem Produkt von Anker sehr gut bedient. Für aktuell 1.186 € (989 € in Deutschland dank 0% MwSt) bekommt man Module, Wechselrichter, Halterungen und alle erforderlichen Kabel.
Wer es gerne individueller und meist auch etwas günstiger haben möchte, kann sich die Komponenten auch selbst zusammenstellen.

Wechselrichter

Hier halte ich mich kurz: Nimm einen Hoymiles HM-x00. Das sind gut abgehangene, robuste Produkte, die alle nötigen Normen und Richtlinien erfüllen. Eine Liste mit allen (in Österreich) zugelassenen Wechselrichtern findet man hier.
Die für die Zulassung wichtigste Eigenschaft eines Wechselrichters ist die Netzausfallerkennung. Die ist essenziell, damit der Wechselrichter sofort abschaltet, sobald ein Ausfall des Stromnetzes erkannt wird und somit niemals Spannung an den Kontakten des Steckers anliegen kann, wenn dieser ausgesteckt wird.

PV-Module

Grundsätzlich sollte man die Module gegenüber dem Wechselrichter um 20% bis 40% überdimensionieren. Das sorgt dafür, dass die Ertragskurve „länglicher“ wird und man vormittags und nachmittags bzw. bei Bewölkung mehr Ertrag hat. In sonnigen Mittagsstunden ist es dann aber natürlich so, dass die Leistung durch den Wechselrichter begrenzt wird. Mehr dazu in diesem Video von Holger Laudeley.

Folgende Größen muss man beachten, damit die Module auch zum Wechselrichter passen:

  • Die Leerlaufspannung (VOC oder OCV) des Moduls muss um mindestens 30% kleiner sein als die maximale Eingangsspannung des Wechselrichters
  • Die Leerlaufspannung (VOC oder OCV) des Moduls muss deutlich über der Anlaufspannung des Wechselrichters liegen
  • Die Spannung bei Maximalleistung (VMP) des Moduls sollte im Bereich liegen, in dem der MPP-Tracker des Wechselrichters die höchste Effizienz hat
Beim Kauf sollte man unbedingt die Abmessungen der Module nicht außer Acht lassen! Diese passen in die allermeisten PKW nicht hinein!

Halterung

Hierfür möchte ich keine konkrete Empfehlung aussprechen, da es unterschiedlichste Montagevarianten geben kann. Für Geländer mit Rundrohren ist eine Halterung wie beim weiter oben genannten Set von Anker wahrscheinlich eine gute Wahl.
In unserem Fall gibt es kein Geländer, sondern eine gemauerte Brüstung, an der die Halterung befestigt werden sollte. Ich wollte die Montage außerdem ohne Bohrungen bewerkstelligen. Das war zwar nicht unbedingt erforderlich, aber ich hatte Lust auf die Fingerübung. Ich habe mich daher für einen Eigenbau entschieden, der im Wesentlichen aus 40 x 40 mm-Formrohren besteht. Die Montage der Module erfolgt auf Schienen, sodass unterschiedliche Formate möglich sind. Zusätzlich erlaubt meine Konstruktion eine Verstellung des Neigungswinkels. Ich werde die Anlage im Winter bei 20° und im Sommer bei 40° betreiben.

Auch sollte man die mögliche Blendung von umliegenden Anwohner:innen oder von Verkehrswegen durch die Reflexion der Sonne bedenken, und eine entsprechende Neigung wählen, um Störung oder Gefährdung anderer Personen auszuschließen.

Errichtung

Organisatorisches

Mindestens zwei Wochen bevor ein Balkonkraftwerk installiert wird, muss man es beim lokalen Stromnetzbetreiber anmelden. Dieser hat dann zwei Wochen Zeit, um Einspruch einzulegen. Geschieht das nicht, gilt die Kleinsterzeugungsanlage als genehmigt. Die Anmeldung dient vor allem dazu, dass der Netzbetreiber rechtzeitig den Zähler gegen einen Smart Meter tauschen kann, falls das noch nicht passiert ist. Alte Zähler haben nämlich unter Umständen noch keine Rücklaufsperre und könnten, falls mehr produziert als verbraucht wird, tatsächlich rückwärts laufen. Das wäre ja zum Vorteil der Kundin und das kann natürlich nicht sein.
Die Anmeldung erfolgt meist in Form eines einfachen Online-Formulars, in dem man das Modell des Wechselrichters und die Modulleistung angibt. Im Fall von Netz Niederösterreich bekommt man gleich auch einen Einspeisezählpunkt mit zugewiesen, den man theoretisch nutzen könnte, um einen Einspeisevertrag abzuschließen. Mehr dazu später.

Falls man Mieter:in ist, muss man vor der Installation das Einverständnis des/der Vermieter:in einholen. Ist man Eigentümer:in einer Wohnung, so ist aktuell tatsächlich noch das Einverständnis aller (!) anderen Eigentümer:innen einzuholen, da es sich um eine Änderung des äußeren Erscheinungsbildes des Gebäudes handelt. Lediglich für Reihenhäuser sieht das österreichische WEG seit einer Novelle im Jahr 2022 eine Vereinfachung vor.

Ausrichtung

Generell ist eine südseitige Ausrichtung zu bevorzugen. Andere Orientierungen können auch ihre Berechtigung haben, aber das muss im Einzelfall bewertet werden. Beispielsweise könnte eine Ost-Ausrichtung passend sein, wenn man nur vormittags daheim ist oder eine West-Ausrichtung, wenn man nachmittags höheren Strombedarf hat.

Als Faustregel kann man für Mitteleuropa annehmen, dass pro kWp in etwa 1.000 kWh pro Jahr zu erwarten sind. Ein Balkonkraftwerk mit zwei 385 Wp-Modulen sollte pro Jahr also in etwa 800 kWh Energie liefern.
Es gibt verschiedene Online-Rechner wie diesen, womit man den Ertrag für die eigenen Gegebenheiten berechnen kann. Liegt dieser im Bereich der Faustregel, ist alles in Ordnung. Wer deatilliertere Berechnungen durchführen möchte, kann das beispielsweise mit dem PV-GIS der Europäischen Union machen.

Die Neigung der Module sollte etwa 30° betragen. Weniger ist zwar auch möglich, führt aber vor allem im Sommer zu einem geringeren Ertrag. Ich habe für unsere Örtlichkeit die Höhenwinkel der Sonne mithilfe der App The Photographer’s Ephemeris ermittelt. Dabei wäre im Winter ein Winkel von unter 20° und im Sommer 40° ideal. Im Zweifel sollte man sich aber eher auf den Winter konzentrieren, da im Sommer meist ohnehin eher zu viel Ertrag zu erwarten ist.

Anschluss

Der Anschluss eines Balkonkraftwerks kann in den allermeisten Fällen problemlos über eine normale Schuko-Steckdose erfolgen, wobei diese natürlich in einem Witterungsgeschgützten Bereich liegen muss. Wo das nicht gewährleistet ist oder wenn man es besonders elegant haben möchte, kann man anstelle der normalen Steckdose auch einen sog. Wieland-Stecker montieren lassen. Im Zweifelsfall ist es ratsam, eine:n Elektriker:in hinzuzuziehen.

Es ist übrigens egal, an welche der drei Phasen das Balkonkraftwerk angeschlossen wird. Alle halbwegs modernen Haushalts-Stromzähler arbeiten saldierend. Das bedeutet, dass die Ströme der drei Phasen summiert und erst danach die Leistung und Energie gemessen wird (vereinfacht ausgedrückt). Wenn der Wechselrichter beispielsweise 600 W über L1 einspeist und man gleichzeitig auf 600 W über L2 bezieht, beträgt die vom Zähler erfasste Leistung 0W.

Konfiguration

In den allermeisten Fällen ist keinerlei Einstellung des Wechselrichters nötig!
Vor allem in Deutschland, wo derzeit noch ein Leistungslimit von 600 W herrscht, kann es erforderlich sein, eine Leistungsbegrenzung einzustellen. Man kann somit jetzt schon eine 800 W-Anlage errichten und auf 600 W drosseln. Da absehbar ist, dass dieses Limit auf 800 W erhöht wird, braucht man dann nur mehr die Einstellung zu ändern. Wie das geht, beschreibe ich im folgenden Abschnitt.

Betrieb

Leistung und Ertrag messen

Hat man sich für ein Komplettset entschieden, so stehen die Chancen nicht schlecht, dass auch eine Form von Monitoring-Lösung enthalten ist. Falls dem nicht so ist, reicht oft eine WLAN-Steckdose wie diese von Shelly, um die momentane Leistung und den Ertrag über die Zeit messen zu können. Dabei sei angemerkt, dass die Messgenauigkeit solcher Steckdosen relativ gering ist und Abweichungen von 20% durchaus möglich sind. Bei anderen Anschlussarten könnte man sich stattdessen ein solches Messgerät von Shelly einbauen lassen.

Wer detailliertere Informationen aus einem Hoymiles-Wechselrichter bekommen möchte oder Einstellungen vornehmen will, benötigt eine DTU (Data Transmission Unit), die als Gateway zwischen Wechselrichter und WLAN dient. Der Wechselrichter hat selbst nämlich keine WLAN-Schnittstelle, kann aber über ein proprietäres Protokoll per Funk im 2,4 GHz-Bereich ausgelesen und konfiguriert werden. Von Hoymiles gibt es dazu die DTU WLite und die DTU Pro. Erstere kann nur Daten lesen und letztere auch Einstellungen vornehmen. Die DTU verbindet sich dann mit einem oder mehreren Wechselrichtern und stellt diese Informationen über WLAN lokal und in der S-Miles Cloud zur Verfügung. Um einen Wechselrichter anlegen zu können, benötigt man außerdem einen Installer Account, den man aber bei einigen Händlern dazukaufen kann. In der passenden App bekommt man dann eine schöne Visualisierung der Leistung und des Ertrags über die Zeit. Leider wird die Leistung nur alle 15 Minuten aktualisiert.

Beide DTUs von Hoymiles haben aber das Problem, dass sie mit etwa 130 € bzw. 250 € unverhältnismäßig teuer sind. Wesentlich günstiger und ohne Cloud fährt man mit einer Open Source DTU wie AhoyDTU oder OpenDTU. Beides sind frei verfügbare Softwarepakete, die man auf einem günstigen Mikrokontroller (ESP32) installieren kann und damit die Funktionen der DTU Pro von Hoymiles zu einem Bruchteil des Preises bekommt. Wer keine Lust auf Bastelstunden hat, kann sich die fertig bespielten Geräte mitsamt Gehäuse und Display auch für etwa 50 € bei Privatpersonen auf Willhaben bzw. Ebay Kleinanzeigen kaufen.

Kosten und Amortisation

Folgendermaßen haben sich in unserem Fall die Gesamtkosten zusammengesetzt:

ProduktLinkPreis
2x PV-Modul JA Solar JAM60S20-385/MR 385 WHändler, Datenblatt424 €
1x Wechselrichter Hoymiles HM-600Händler, Datenblatt232 €
1x EndkappeHändler7 €
1x AnschlusskabelHändler43 €
Stahl für Halterung60 €
Verzinken85 €
Kleinmaterial50 €
1x Shelly Mess-SteckdoseHändler20 €
1x AhoyDTU mit 3D-gedrucktem Gehäuse49 €
Summe970 €

Um zu berechnen, wann sich die Investitionskosten amortisiert haben werden, müsste man genau wissen, wie viel des produzierten Stromes man tatsächlich selbst verbraucht hat. Also Ertrag abzüglich Einspeisung. Letztere lässt sich aber nur ermitteln, indem man im Elektroverteiler einen Zähler wie diesen einbaut oder indem man beim Netzbetreiber einen Einspeisezählpunkt anfordert und einen Einspeisevertrag abschließt. Mehr dazu am Ende dieses Artikels.
Ich treffe stattdessen zwei Annahmen: Der Ertrag unserer 770 Wp-Anlage liegt bei 850 kWh pro Jahr und wir können 50% dessen selbst verbrauchen. Geht man von einem Strompreis (inkl. Netzkosten) von 0,35 €/kWh aus, so beträgt die Amortisationszeit 6,5 Jahre.
Wer aber beispielsweise eine normale Halterung kauft, keine DTU braucht und in Deutschland (0,45 €/kWh) lebt, genießt schon nach 4,4 Jahren kostenlosen Strom. Eine kleinere Anlage mit nur einem Modul kann in manchen Fällen sogar wirtschaftlicher sein, sofern dadurch der Eigenverbrauch deutlich steigt.

Man sieht also, dass verschiedenste Faktoren auf die Amortisationszeit erheblichen Einfluss haben. Kleinere Anlagen amortisieren sich tendeziell schneller, da die Ausnutzung höher ist, sie bieten aber auch weniger Einsparpotential bei den Stromkosten. Generell sind 5 bis 6 Jahre ein guter Richtwert und jedenfalls bedeutend kürzer als die Lebensdauer eines PV-Moduls (30 Jahre) oder eines Wechselrichters (15 Jahre).

Verbrauch optimieren

Wie zu Beginn schon erwähnt, ist die Idee hinter einem Balkonkraftwerk die, dass man den Eigenverbrauch deckt. Im Idealfall sollte der Verbrauch also genau der aktuellen Produktion entsprechen. Das ist natürlich unrealistisch, aber man kann viele Verbräuche optimieren, um möglichst wenig Netzstrom zu beziehen.

Ich versuche beispielsweise, Dinge wie E-Bikes und Akkustaubsauger dann zu laden, wenn die Sonne scheint. Noch wichtiger ist es, die größeren Verbraucher wie Spülmaschine, Waschmaschine und E-Herd nach Möglichkeit dann einzuschalten, wenn die PV-Anlage gerade viel produziert. ABER: Tut man das alles gleichzeitig, ist die Leistungsaufnahme in Summe viel höher als die 600 W oder 800 W, die vom Balkonkraftwerk produziert werden können, was wieder zu viel Bezug aus dem Netz führt. Daher wäre es Ideal, wenn man die Verbräuche zeitlich so in den sonnigen Stunden von etwa 10:00 Uhr bis 14:00 Uhr gleichmäßig verteilt, dass man einen möglichst konstanten Verbrauch erzielt, der möglichst selten über der Leistung des Balkonkraftwerks liegt.

Um das noch weiter zu optimieren, ist es wichtig, die Leistungsaufnahme verschiedener Geräte zu kennen. Wasch- oder Spülmaschinen haben beispielsweise während ihrer Programmabläufe ab und zu eine sehr hohe Leistungsaufnahme, um das Wasser aufzuheizen. Diese Spitzen werden zwar immer die Leistung einer Balkon-PV überragen, dafür ist die Leistungsaufnahme während der restlichen Zeit eines Waschprogramms relativ niedrig und liegt bei 100 W bis 500 W, was perfekt zur Leistung eines Balkonkraftwerks passt. Elektroherde sind nicht ideal, weil sie entweder sehr viel oder gar keine Leistung aufnehmen, indem sie die Kochfelder einfach immer wieder ein- und ausschalten. Auch Mikrowellen oder günstige Induktionskochfelder arbeiten so, wobei manche hochwertigere Modelle auch in ihrer Leistung regelbar sind, sodass sie konstante, kleinere Leistungen aufnehmen können. Man erkennt das einfach daran, ob das Gerät im Betrieb immer wieder klickt, was auf ein Ein- und Ausschalten hindeutet.
Manche Geräte sind aber wie für Balkonkraftwerke gemacht: Reiskocher beispielsweise haben üblicherweise etwa 400 W konstante Leistungsaufnahme und auch Eierkocher und Brotbackautomaten kommen ohne Leistungsspitzen aus. Selbst kleine Heißluftfritteusen oder Wasserkocher haben manchmal nur 800 bis 1000 W und können somit gut zur Nutzung der Mittagssonne verwendet werden.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass zur Verbrauchsoptimierung am besten alle Verbräuche möglichst konstant sein und hintereinander stattfinden sollten. An Tagen, wo das gut gelingt, sieht der Netzbezug wie an diesem sonnigen Tag im März aus. Der meiste Verbrauch wird von der PV gedeckt und der Netzbezug liegt tagsüber meistens bei null. Lediglich die kurzzeitigen Spitzen von Wasserkocher, Waschmaschine und Spülmaschine überragen die Nulllinie.

Ökobilanz

Wie bei allen technischen Lösungen gilt es natürlich auch hier, mittels einer Ökobilanz zu ermitteln, ob es hinsichtlich der Klimawirkung denn überhaupt zielführend ist, eine Photovoltaikanlage zu errichten, die mit Ressourcen- und Energiebedarf und Transport und Entsorgung von Gütern einhergeht. Im Fall einer PV-Anlage muss man die Einsparungen an Treibhausgasen im Betrieb mit den Emissionen bei Herstellung und Recycling vergleichen. In dieser Arbeit des Fraunhofer ISE wurden die CO2eq-Emissionen der Produktion und des Recyclings von PV-Modulen ermittelt. Je nach Typ und Herstellungsort variieren diese zwischen 810 kgCO2eq/kWp (Glas-Folie, China) und 420 kgCO2eq/kWp (Glas-Glas, EU).

In unserem Fall trifft ersteres zu, womit die Lebenszyklusemissionen unserer Module (2x 385 Wp) 623 kgCO2eq betragen. Der Stahl für die Halterung (34 kg) schlägt mit 24 kgCO2eq (laut EPD) und das Verzinken mit etwa 7 kgCO2eq (Quelle) zu Buche. In Summe ergibt das 654 kgCO2eq. Für den Wechselrichter konnte ich keine Zahlen finden, daher nehme ich 10% an, womit sich eine Endsumme von 719 kgCO2eq an. Wer eine vergleichbare Anlage mit Halterungen aus Aluminium statt Stahl hat, müsste etwa 7% mehr annehmen!
Wenn man nun vom (relativ sauberen) österreichischen Strommix ausgeht, vermeidet die PV-Anlage mit jeder erzeugten Kilowattstunde 0,219 kgCO2eq, was zu einer Amortisation der Lebenszyklusemissionen nach 3.283 kWh führt. Bei dem angenommenen Ertrag von 800 kWh/a ist das nach 4,1 Jahren der Fall.
In Deutschland würde die Situation wegen des deutlich schmutzigeren Strommixes (0,458 kgCO2eq/kWh Quelle) anders aussehen: Hier würde die ökologische Amortisation schon nach 1.570 kWh oder 2 Jahren eintreten!
Umgekehrt würde es beispielsweise in Nord-Norwegen aussehen: Wegen des sehr sauberen Strommixes (0,05 kgCO2eq/kWh) und der geringeren Sonneneinstrahlung tritt die Amortisation erst nach 14.380 kWh oder 23 Jahren ein, wenn man von den üblichen Glas-Folie-Modulen aus chinesischer Produktion ausgeht. Hier sind somit Module aus europäischer Produktion und eine exzellente Ausrichtung der Anlage entscheidend, damit Photovoltaik überhaupt noch einen ökologischen Vorteil gegenüber anderen erneuerbaren Quellen hat.

Die Folgende Grafik zeigt die THG-Bilanz von PV-Modulen pro kWp Anlagengröße in verschiedenen Szenarien.

Einspeisetarif

Auch wenn ich oben schon öfters erwähnt habe, dass Balkonkraftwerke vor allem für die Deckung des Eigenbedarfs gedacht sind, so heißt das aber mitnichten, dass man keinen Einspeisevertrag abschließen kann. Man kann somit durchaus ein paar Euro verdienen, anstatt überschüssigen Strom zu verschenken.

  • 22.03.2023: Anfrage Hotline Salzburg Netz:
    „Kann ich für eine Balkon-PV einen Einspeisezählpunkt bekommen?“
    „Hm, das muss ich klären. Ich veranlasse einen Rückruf für Sie. Das Datenblatt können Sie aber jedenfalls einmal Ausfüllen und einreichen.“
  • 22.03.2023: Datenblatt eingereicht
  • 23.03.2023: Anschlussbestätigung inkl. Einspeisezählpunkt erhalten
  • 23.03.2023: Rückruf erhalten:
    „Das zahlt sich ja gar nicht aus“
    „Ich weiß, mir gehts ums Prinzip“
    „Ja, aber…“
    „Ja, ich weiß. Ist mir egal.“
    „OK, hm, also es kann schon sein, dass das geht“
    „Ich hab sogar schon einen Einspeisezählpunkt von euch bekommen!“
    „Oh. Interessant!“
    „Kann ich es einfach probieren, um einen Einspeisetarif zu bekommen?“
    „Ja, natürlich. Am besten, Sie probieren es aus. Würde mich auch interessieren, was dann passiert! Im schlimmsten Fall wird es halt abgelehnt.“
  • 24.03.2023: Einspeisetarif bei unserem Stromlieferanten aWATTar beantragt.
  • 27.03.2023: Anfrage von aWATTar bestätigt, Fertigmeldung beim Netzbetreiber durch einen Elektriker erforderlich
  • 30.03.2023: Elektriker kontaktiert: Er meldet sich, wenn er in der Gegend ist.
  • To be continued…

Jänner 2024
Inzwischen hat sich die Idee mit dem Einspeisetarif etwas im Sand verlaufen. Das liegt vor allem daran, dass wir die Anlage wieder etwas zurückbauen mussten und die Module jetzt innerhalb des Balkons ihren Dienst verrichten (Die Halterung findet woanders Anwendung). Immer noch ökologisch und ökonomisch sinnvoll, aber nicht optimal. Verantwortlich sind bestimmte Personen, die einerseits „ja nichts gegen die Energiewende haben, aber nicht so“ und andererseits Angst vor Blendung haben (Physikalisch unmöglich, aber wen interessiert schon die Physik 🤷‍♂️). Das alles hat irgendwie etwas von „Ich bin ja kein Rassist, aber…“.
Jedenfalls hatte ich keine große Motivation mehr das Projekt Einspeisevertrag weiter voranzutreiben, wo doch viel wichtigere Vorhaben wie die Wärmepumpe im Altbau ins Haus standen

Solarrebell Michael Resch
Auch wenn die Gemeinsamkeiten erstaunlich zahlreich sind, habe ich nichts mit dem Solarrebell zu tun, der auch Michael Resch heißt, auch in Salzburg wohnt und auch mit ein paar Verhinderern seiner (beeindruckenden) PV-Anlage zu kämpfen hat.


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