Autofokus

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Der Autofokus. Ich vergleiche ihn gerne mit der Motorsteuerung in modernen Kraftfahrzeugen. Die erfolgreiche Arbeit beider Dinge ist eine Selbstverständlichkeit, für den Durchschnittsverbraucher besteht keine Notwendigkeit, die komplexe Funktionsweise dieser Systeme zu hinterfragen. Doch dann gibt es manche unter uns, die sehrwohl sensibel gegenüber der Existenz solcher Systeme sind, sich für die darin ablaufenden Prozesse interessieren und manchmal dadurch (Kauf-)entscheidungen treffen können, die in deutlich erhöhter Fahr- bzw. Fokussierfreude resultieren.

Notwendigkeit

Ob wir als Hobbyfotografen den Autofokus überhaupt brauchen oder nicht, kann nur jeder für sich beantworten. Es steht jedoch außer Frage, dass ohne ihn unzählige Momente unfotografiert bleiben würden, die sich mit seiner Hilfe gestochen scharf ablichten lassen.

Andererseits ließen sich die meisten Fotomotive mit etwas Übung auch per Hand scharf stellen, unter Umständen sogar einfacher, als wenn man erst die Funktion des AF-Systems der jeweiligen Kamera kennen lernen muss, um es auch so einsetzten zu können, dass es sich nach seinen Vorstellungen verhält.

Systeme (DSLR vs. alles andere)

Grob zusammengefasst gibt es zwei Arten, wie ein AF-System funktionieren kann: Kantenkontrastmessung und Phasenvergleich.

Ich gehe hier nicht auf die technischen Unterschiede ein, wer sich dafür im Detail interessiert möge Wikipedia konsultieren.

Wie so oft im Leben muss man sich meist für Geschwindigkeit oder Präzision entscheiden. Alle mir bekannten DSLRs nutzen üblicherweise den Phasenvergleich durch nur dafür zuständige Sensoren. Phasenvergleich-AF hat den großen Vorteil, dass die Sensorik nicht nur erkennt, ob ein Objekt scharf ist oder nicht, sondern auch wie weit und vor allem in welche Richtung das Objektiv den Fokus verschieben muss, um das Motiv scharf abzubilden. Er ist somit prinzipiell sehr schnell (mehr dazu später).

Kantenkontrastmessung kommt vollkommen ohne dedizierte Sensorik aus, sie nutzt ausschließlich den Bildsensor, um zu erkennen, wie scharf ein Bildbereich ist. Sogar bei Überwachungskameras (ich arbeite in dieser Branche) kommt diese Technik zum Einsatz, indem die Bitrate gemessen wird, während der Fokus verstellt wird. Wo sich Extremwerte erkennen lassen, ist das Bild am besten fokussiert. Diese Methode ist zwar genau, jedoch im Gegensatz zum Phasenvergleich sehr langsam, da ziellos „probiert“ werden muss. Diese Technik kommt bei praktisch allen Smartphones, spiegellosen Kameras und Kompaktkameras zum Einsatz.

Um auf DSLRs zurückzukommen: Auch hier kommt die Kantenkontrastmessung zum Einsatz, wenn sich die Kamera im Live View (siehe Titelbild) bzw. Video-Modus befindet. In diesen Zuständen ist der Spiegel hochgelappt und die eigentliche AF-Sensorik funktionsunfähig.

Da ich seit kurzer Zeit stolzer Besitzer einer Sony a6500 bin, kann ich auch noch über eine dritte Variante berichten, den Hybrid-AF. Bei dieser Kamera sind „echte“ AF-Sensoren (Phasenvergleich) in den Bildsensor eingearbeitet und erledigen die weniger präzise, jedoch sehr schnelle Grobfokussierung. Ist das geschehen, übernimmt die Kontrastmessung die Feineinstellung.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum (semi-)professionelle DSLRs nicht auch auf dieses System setzen… Nunja, darauf gehe ich in einem zukünftigen Beitrag ein.

Realität

Also wir verstehen jetzt die grundlegende Funktionsweise und kaufen eine DSLR (welche ist dabei völlig irrelevant) und stellen im Zuge der ersten Versuche fest, dass der AF ja doch nicht so toll ist, wie alle behaupten.

An diesem Punkt verweise ich wieder auf den Vergleich mit der Motorsteuerung eines KFZ. Selbst wenn ich die beste Sensorik und Auswerteelektronik in meinen Polo schraube, habe ich immer noch einen 50PS-Motor, der die Anweisungen der Steuergeräte nur im Rahmen seiner Möglichkeiten umsetzen kann.

Auf Kameras umgelegt heißt das: Das ist einer der Gründe, warum man nicht beim Objektiv sparen sollte. Dieses beinhaltet den Motor, der letztendlich die Linsen so bewegen muss, wie es der AF der Kamera vorgibt.

In Canon-Sprache heißt das: STM oder USM. STM (Stepper Motor) bezeichnet einen ganz normalen Elektromotor, der über Zahnräder die besagten Linsen verschiebt. USM (Ultraschallmotor, Hypersonic) steht für Antriebe, wo keine unnötigen beweglichen Teile zum Einsatz kommen (wie z.B. Zahnräder), was einerseits den Vorgang massiv schneller macht, andererseits weniger Fehlerquellen bereithält und nicht zuletzt (meistens) eine manuelle Korrektur des Fokus zulässt, ohne das Objektiv umschalten zu müssen.

Konkret würde ich diesen Beitrag folgendermaßen zusammenfassen:

  1. Kauf irgendeine gebrauchte Canon-DSLR, die dem gewünschten Funktionsumfang entspricht.
  2. Kauf das Canon EF 50mm f/1.4.
  3. Lerne, Fotos zu machen und rede dich niemals auf das Equipment aus, wenn ein Foto nicht deinen Vorstellungen entspricht.

Hätte mir jemand vor Jahren diesen Tipp gegeben, hätte ich ihn ignoriert und tausende Euro für Kameras und Objektive ausgegeben, um anschließend diesen Beitrag zu schreiben…